Thomas hier…

Du Opfer!

Ich habe kürzlich einen inspirierenden Artikel über den Zustand unserer heutigen Gesellschaft gelesen.

Matthias Lohre, Autor und Journalist, hat in seinem Buch „Das Opfer ist der neue Held“ beschrieben, wie diese Haltung zu bewerten ist und sich die Gesellschaft seiner Meinung nach zu einer Opfer-Gesellschaft entwickelt hat. (1)

Ein Opfer der Nazi-Herrschaft hätte sich nie als Opfer bezeichnen lassen, sondern sah sich als Gegner des Regimes, weil alles andere als Schande empfunden worden wäre. Was früher undenkbar war, scheint heute gesellschaftsfähig.  

Heute stellen sich Politiker gerne als Opfer dar. Trump, der sich als Kämpfer für sein Volk sieht und sich Verschwörungen konfrontiert sieht. „Der Präsident hier ist das Opfer“ twitterte er bereits 2017. Erdogan, der westliche Verschwörungen für die wirtschaftlichen Probleme seines Landes verantwortlich macht. Ein Heinz-Christian Strache aus Österreich, der letztes Jahr seinen Rücktritt erklärte, wies Vorwürfe zurück, weil er in einer intimen Atmosphäre unter Alkoholeinfluss zu Zusagen für lukrative Staatsaufträge überredet werden sollte. 

In Deutschland beschwören AfD-Politiker die „Selbstzerstörung unseres Staates und Volkes“. Damit versuchen sie sich als Helden für das Volk darzustellen. Rechtspopulisten versuchen, dass sich ihre Wähler selbst mit der Opferrolle identifizieren. 

Beachtlich dabei ist, dass diese selbsternannten Opfer enormen Zuspruch ernten und Sympathien unter ihren Anhängern gewinnen.

Auch linke Verfechter einer sogenannten Identitätspolitik teilen eine düstere Weltsicht, so Lohre.

Alle Gruppierungen, egal aus welchem Lager, vermuten um sich herum abgehobene Eliten, die rechtschaffene Bürger wie sie selbst erniedrigen. Ihr eigenes subjektives Empfinden genügt. Jeder Einwand, jede Argumentation dagegen, bestätigt sie. So wird die eigene Auserwähltheit gefestigt.

Wir befinden uns in einem „epochalen Umbruch“. Das selbstbestimmte Individuum weicht einem Opfer, welches ständig Mitgefühl und Aufmerksamkeit einfordert. 

Der Literaturwissenschaftler Daniele Giglioli schreibt dazu: „Wir sind stolz darauf, etwas erlitten zu haben. Wunden, tatsächliche genauso wie symbolische, sind der Nachweis für Glaubwürdigkeit.“  In seinem Buch „die Opferfalle“ schreibt er: „Auf das Gefühl, Opfer dunkler Mächte zu sein, darauf können wir uns einigen. Weil es uns nichts anderes abverlangt als das Gefühl, an nichts schuld zu sein.“

Warum sehen wir uns wohl gerne als Opfer? 

Welche Zutaten braucht es? 

Ist es nicht die Unfähigkeit, uns mit unseren wirklichen Ängsten auseinanderzusetzen?

Inspiriert hat mich dieser Artikel zu weiteren Gedanken.

Gab es nicht schon immer die Menschen, die sich in der Opferrolle ganz wohl fühlten. Eine schwere Erkrankung, die man erleidet oder durchgestanden hat. Die falschen Freunde.  Existenzvernichtung durch eine Finanzkrise. Mobbing. Die Frau, die immer nur an die falschen Männer geraten ist, der Mann, der immer nur Frauen kennengelernt hat, die ihn ausnutzten. Der Ehemann, der sich wegen seiner kranken Frau nicht von ihr trennen kann, weil er eine moralische Verpflichtung hat. Der Beruf, der einen so sehr fordert, dass man sich nicht mehr um die Familie und seine sozialen Kontakte kümmert. 

Es ist einfach sich in die Opferrolle zu begeben und heute wohl durchaus gesellschaftsfähig. Man bekommt Mitgefühl, man kann sein Selbstwertgefühl durch gesteigerte Aufmerksamkeit steigern.

Eine ehrliche Selbstreflexion würde helfen. Anstrengend und möglicherweise schmerzhaft,   manchmal braucht man auch professionelle Hilfe. Die wahren Gründe liegen meist in unserem tiefsten Innern. Damit muss man sich auseinandersetzen.

Oftmals wird nicht einmal im Ansatz darüber nachgedacht, warum manches so gekommen ist, wie es passiert ist. 

In dieser Corona-Krise, für die niemand was kann, sehen sich auch viele in dieser Opferrolle. Eine wunderbare Ausrede. 

Jeder von uns hat sich bestimmt schon als Opfer gefühlt. Haben wir uns in dieser Rolle wohlgefühlt? Ich nie und es hat nicht geholfen. 

Der Mensch strebt nach Gemeinschaft. Sich in der jetzigen Situation aber in der Opferrolle zu sehen ist fatal. Das hat auch was mit der Self Fullfilling Prophecy zu tun. 

Viel mehr sollte man sich als Teil einer, vielleicht auch neuen,  Solidargemeinschaft sehen. Eine Gemeinschaft, die füreinander da ist, den Schwachen hilft und in der jeder seinen Teil leistet um Leid zu mindern. Vor allem aber sollte jeder nach vorne schauen und sich nicht auf Hilfe von außerhalb verlassen.

Eine Chance? 

(1) Psychologie Heute, Ausgabe 05/2020

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